Identifizieren

Was kann Ihnen zeigen, dass Ihr*e Patient*in von Gewalt betroffen sein kann?
  • Wenn Sie das Gefühl bzw. den Verdacht haben, Ihr*e Patient*in könnte von Gewalt betroffen sein, dann sprechen Sie sie bzw. ihn darauf sensibel an.
  • Bei Bejahung von Gewalterfahrungen sollten Sie Ihre Patientin bzw. Ihren Patienten ermutigen, darüber zu sprechen, aufmerksam zuhören und Ihre Unterstützung anbieten.
  • Bei Verneinung von Gewalterfahrungen sollten Sie dennoch sehr genau untersuchen und dokumentieren. Falls Sie Folgen von Gewalt feststellen, fragen Sie noch einmal spezifisch nach. Weisen Sie dabei darauf hin, dass eine gerichtsverwertbare Dokumentation zu einem späteren Zeitpunkt kaum mehr möglich ist. Respektieren Sie aber auch das Recht Ihres Patientin bzw. Ihres Patienten, Ihnen gegenüber zu schweigen.
  • Besondere Formen von Gewalt bedürfen einer besonderen Betreuung und Begleitung, bis hin zu spezifischen Untersuchungs- und Spurensicherungsmaßnahmen, z.B. bei Verdacht auf sexualisierte Gewalt
Achten Sie auf so genannte Red Flags:
  • große Zeitspanne zwischen Verletzung und medizinischer Versorgung
  • Verletzungen, die mit der Schilderung der Patientin bzw. des Patienten  unvereinbar sind, Mehrzeitigkeit der Verletzungen, d.h. unterschiedliche Heilungsstadien, (chronische) Beschwerden ohne offensichtliche körperliche Ursache, z.B. Schmerzzustände (Kopf-, Rücken-, Beckenschmerzen), Reizdarm etc.
  • Suizidgedanken und -versuche
  • Verletzungen während der Schwangerschaft, später Beginn der Schwangerschaftsvorsorge oder häufige Fehlgeburten
  • häufige oder sehr seltene Arztbesuche
  • häufiges Nichteinhalten von Terminen
  • Non-Compliance bei der Behandlung
  • wechselnder Arztkontakt („doctor hopping“)
  • übermäßig aufmerksame Begleitung, die kontrolliert und nicht von der Seite der Patientin bzw. des Patienten weicht
So können typischerweise Verletzungen aussehen, die im Rahmen von Sexualdelikten bzw. Gewalt gegen den Hals entstanden sind:
Quelle: Grassberger, M.; Yen, K. (2013): Allgemeine klinisch-forensische Traumatologie. In: M. Grassberger, E. Türk und K. Yen (Hg.): Klinisch-forensische Medizin. Interdisziplinärer Praxisleitfaden für Ärzte, Pflegekräfte, Juristen und Betreuer von Gewaltopfern, 179–225.