Entwicklung der anonymen Spurensicherung (ASS)

Erfahren Sie alles über die anonyme Spurensicherung

Die anonyme Spurensicherung soll für Opfer sexualisierter Gewalt ein Signal setzen, dass sie Anspruch auf Hilfe haben, ohne zu Schritten genötigt zu werden, die sie noch nicht bewältigen können und deren Folgen sie in einer psychischen Ausnahmesituation nicht überblicken.

Frauennotrufe NRW

Eine Strafanzeige bezüglich einer schweren Straftat, wie beispielsweise einer Vergewaltigung, ist nicht ohne Weiteres wieder zurückzunehmen. Denn sobald der Anfangsverdacht einer Straftat begründet ist, leiten Polizei oder Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren ein. Grundsätzlich gilt dabei im Strafprozessrecht das Legalitätsprinzip, auch Strafverfolgungszwang genannt. Der von der Polizei erstellte Vorgang wird nach Abschluss der polizeilichen Ermittlungen an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet. Der Polizei ist es nicht erlaubt, das Strafverfahren einzustellen. Die Befugnis, ein Strafverfahren vorzeitig zu beenden, besitzt allein die Staatsanwaltschaft. Wird ein eingeleitetes Verfahren nicht eingestellt, wird von der Staatsanwaltschaft die Klage vorbereitet (§ 170 StPO).

 

Was ist ASS und wofür nützt sie?

ASS steht als Abkürzung für „Anonyme Spurensicherung“, parallel dazu wird auch der Begriff der vertraulichen Spurensicherung verwendet.

Viele Betroffene von Gewalt zeigen die Tat häufig erst einige Zeit nach dem eigentlichen Geschehen an. Dafür gibt es unterschiedliche Gründe, z.B. Hilflosigkeit, Überforderung oder die Hoffnung, dass „alles wieder gut wird“. Liegt dann keine objektive, „gerichtsfeste“ Dokumentation der Verletzungen und sonstiger Spuren vor, die geeignet ist, die Traumatisierung der betroffenen Person vor Gericht nach Art und Ausmaß zweifelsfrei zu belegen, kann im Extremfall ein Freispruch der Täterin oder des Täters aus Mangel an Beweisen resultieren – möglicherweise mit der Folge einer massiven sekundären Traumatisierung der betroffenen Person. Eine „gerichtsfeste“ ärztliche Dokumentation der Folgen von Gewalt ist somit nicht nur aus forensischer Sicht, sondern vor allem auch im Blick auf die Gesundheit des bzw. der Gewaltbetroffenen unabdingbar.

Alle Modelle der anonymen oder vertraulichen Spurensicherung beruhen auf dem Ansatz, dass Betroffene von Gewalt sich ohne vorausgehende polizeiliche Strafanzeige an eine Ärztin oder einen Arzt ihres Vertrauens wenden können. Diese bzw. dieser untersucht die geschädigte Person, dokumentiert die Verletzungen und Beschwerden, sichert Spuren am Körper des bzw. der Gewaltbetroffenen und berät zu weiterführenden therapeutischen und psychosozialen Angeboten. Die Befunde werden durch die behandelnden Ärzt*innen im Rahmen der ärztlichen Schweigepflicht absolut vertraulich behandelt und zusätzlich oft pseudonymisiert gespeichert. Eine Weitergabe der erhobenen Daten an die Polizei erfolgt nur auf ausdrücklichen Wunsch der betroffenen Person.

So gewinnen Betroffene von Gewalt Zeit und Raum, sich psychisch zu stabilisieren, körperliche Verletzungen auszukurieren und sämtliche notwendige Unterstützung und Beratung zu erhalten. Das Erstatten einer polizeilichen Anzeige kann Tage, Wochen, Monate oder sogar Jahre später erfolgen.