Gesundheitliche Folgen von Gewalt

Gewalt macht krank! Körperliche und psychische Folgen von Gewalt

Körperliche, sexuelle, psychische und/oder ökonomische Gewalt kann nicht nur zu schweren, sogar tödlichen körperlichen Verletzungen und akuter psychischer Belastung führen, sondern auch Ursache für die Entstehung vieler weiterer, mittel- und langfristiger gesundheitlicher Beeinträchtigungen sein (Büttner, 2020). Nicht nur unmittelbar erlittene Verletzungen beeinflussen die Gesundheit von Gewaltbetroffenen negativ, vielmehr beginnt durch das Erleben des gewalttätigen Geschehens ein längerer Leidensweg.

In internationalen und nationalen Studien konnten die mittelbaren und die langfristigen negativen gesundheitlichen Folgen von Verletzungen durch interpersonelle Gewalt eindrucksvoll belegt werden. Es gibt inzwischen kaum mehr Zweifel daran, dass Gewalterleben ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung von psychischen Erkrankungen darstellt.

So konnten Studien zeigen, dass betroffene Frauen besonders häufig an einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS), Depression, Angstzuständen und Phobien, Schlafstörungen, Suizidalität leiden – um nur einige zu nennen (Homberg et al., 2008; WHO, 2012, 2013; Spencer et al., 2019). Bei gewaltbetroffenen Männern konnten ebenfalls gehäuft Depressionen, Angstzustände, PTBS, Borderline- und antisoziale Persönlichkeitsstörung (Spencer et al., 2019) und Substanzmissbrauch (Coker et al., 2002) gefunden werden.

Gewalt und deren Folgen

Für verschiedene körperliche Beschwerden von Frauen wie akute, auch chronische Verletzungsfolgen (Schmerzen, Funktionsbeeinträchtigungen und Behinderungen), chronische Schmerzen, Magen-Darm-Probleme, Herz-Kreislauf-Probleme wurden zusammenhänge mit Partnerschaftsgewalt gefunden (z.B. Hellbernd et al., 2004; Macy et al., 2009; Paras et al., 2009; Miller & McCaw, 2019; Pastor-Moreno et al., 2020; Stockman et al., 2015). Weniger gut untersucht sind die Gesundheitsfolgen von Männern, die Partnerschaftsgewalt erlebt haben. Eine repräsentative Studie aus den USA konnte jedoch auch hier einen Zusammenhang zwischen erlebter körperlicher oder psychischer Gewalt und der Entwicklung chronischer körperlicher Erkrankungen nachweisen (Coker et al., 2002).

Bisherige Forschungsergebnisse weisen im Hinblick auf den medizinischen Schweregrad einer Verletzung darauf hin, dass auch als medizinisch minder schwer bewertete Verletzungsbilder im Kontext mit einem interpersonellen Übergriff durch eine dem*der Betroffenen emotional nahe stehende (oder ehemals nahe stehende) Person ein subjektiv schwerwiegenderes Erleben der Gewalt erzeugen als ein unfallbedingtes Trauma. Wird eine spezifische Verletzung, z.B. der Hand, nach Gewalt in den Blick genommen, so fanden Studien für 33% der Patient*innen mit einer Handverletzung eine posttraumatische Belastungsstörung oder eine Depression und damit verbunden eine negative Auswirkung auf die Heilung und den gesamten körperlichen Zustand (Williams et al., 2009).

Andere Studien konnten Belege dafür finden, wie sich ungünstige Kindheitserfahrungen (Miterleben von Partnerschaftsgewalt in der Kindheit oder eigene Missbrauchserfahrungen) auf den Körper und die Psyche auswirken können (Danese & McEwen, 2012; Pechtel & Pizzagalli et al., 2011). So führt chronischer Stress in der Kindheit zu Veränderungen in der Entwicklung des Nerven-, Hormon- und Immunsystems, was sich wiederum in einer Beeinträchtigung der kognitiven, sozialen und emotionalen Funktionen und einer erhöhten allostatischen Belastung (d. h. chronischen physiologischen Schäden) niederschlägt (Danese & McEwen, 2012; Pechtel & Pizzagalli et al., 2011).

Behandlungsvoraussetzung

Um eine optimale Behandlungsstrategie individuell durchführen zu können, müssen die gesundheitlichen und psychosozialen Folgen von Verletzungen bzw. der Gewalt an sich möglichst früh erkannt und betreut werden (Baker et al., 2009; Ravindran & Stein, 2009). Häufig sind es Gesundheitseinrichtungen, die von Gewaltbetroffenen wegen vielfältiger Beschwerden aufgesucht werden (Hornberg et al., 2008; Bacchus et al., 2018; Bonomi et al., 2009). Damit nimmt das Gesundheitswesen eine bedeutende Schnittstelle in der Identifizierung, Versorgung und der Weitervermittlung von Gewaltbetroffenen in vorhandene Hilfestrukturen ein (Schellong et al., 2021). Da die psychologische Betreuung kurz nach einem traumatischen Erlebnis maßgebend ist, um der Entwicklung einer Traumafolgestörung entgegenzuwirken (Leeman-Conley, 1990), ist die Wechselbeziehung der medizinischen und der psychologischen Behandlung wesentlich für die überdauernde Genesung von Betroffenen (Reimann et al., 2020). Was es also braucht, ist eine nachhaltige Anbindung an Strukturen, die entsprechende Unterstützungsmaßnahmen anbieten können (Siegel et al., 2022). Eine hinreichend gute Versorgung der von Gewalt betroffenen Personen ist elementar, um eine Strafverfolgung in die Wege zu leiten und eine sekundäre Traumatisierung zu vermeiden.

Weitere Informationen

Ausführlicher Artikel zu den körperlichen und psychische Folgen von Gewalt